Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Lensahn
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Predigt zu Christi Himmelfahrt,

21. Mai 2020, von Pastor Hans Hillmann

 

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Predigt Himmelfahrt 2020.mp4
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Predigt zu Christi Himmelfahrt 2020

von Pastor Hans Hillmann

 

Der Predigttext für diesen Tag steht im Johannesevangelium, Kapitel 17:

20 Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, 21 dass sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. 22 Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, auf dass sie eins seien, wie wir eins sind, 23 ich in ihnen und du in mir, auf dass sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst. 24 Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt, ehe die Welt gegründet war. 25 Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich, und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast. 26 Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.

 

Ein Text, bei dem mir die Ohren schlackern. Du in mir und ich in dir, sie in uns, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, wo ich bin sind auch die bei mir, ich habe und ich werde, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen. Gut. Noch Fragen?

 

Ihr Lieben, ich musste bei diesem Text an Mr Bean denken. Ja, das passt irgendwie zu ihm – so verschwurbelt und unstet, wie wenn einer in 237 Zügen mit seinem Mini in eine Parklücke einparkt und am Ende doch die Stoßstangen der beiden Wagen links und rechts demoliert. Du ich wir uns sie mir mich dich dir ihnen eins: Puh. Mr Bean – oder genauer – der Mann, der Mr. Bean spielt, Rowan Atkinson, hat mal einen kurzen Sketch gespielt, der zu diesem Miteinander und Ineinander unseres Predigttextes britisch humorvoll veranschaulichst.

 

Der Sketch geht so: Atkinson ist Pastor bei einer Beerdigung. Beerdigt werden Tom, Dick und Harry. 3 altgediente und wohlbekannte Mitglieder der christlichen Gemeinde. Der Pastor steht an ihrem Grab und spricht:      Erde zu Erde… Tom, Dick und Harry – drei beliebte Männer aus unseren Reihen, allseits bekannt und geschätzt, die wir vermissen werden. Tom war leider blind und zudem auch noch taub. Aber seine Stärke war die Rede und das Lied und wir erinnern uns alle gut an seine enorme Stimme, die uns treu beim Singen der Choräle begleitet hat. Natürlich wusste Tom, blind und taub wie er war, nie welchen Choral wir gerade sangen. Was in Ordnung war, weil wir auf der anderen Seite auch nie wussten, welchen Choral er gerade sang. Und um es direkt zu sagen: Tom kannte keinen einzigen Choral.

 

Nun war Tom ein glücklicher Mann, denn er hatte einen Freund, der ihn durch die Finsternisse des Lebens führte. Und das war Dick. Dick hatte perfekte Augen und er führte Tom, wo auch immer er hinwollte. Leider war Dick auch taub und so konnte er nicht hören, wo Tom hinwollte. Dick jedoch beschwerte sich nie über irgendetwas – wie auch, denn er war nicht nur taub, sondern auch stumm. Nun hatte dieses besondere Paar, Tom und Dick, auch noch das Glück einen weiteren treuen Gefährten an der Seite zu haben: Harry. Harry konnte eine Stecknadel runterfallen hören. Jedoch konnte er sie nie aufheben, weil er blind und stumm war. So konnte er auch nie jemanden warnen, nicht auf die Nadel zu treten.

 

Also als Einzelne, als Individuen waren sie wirklich schlimm getroffen, aber zusammen waren sie im Besitz von allen Sinnen, die Gott sich ausgedacht hat. Und zusammen liegen sie hier. Sie waren immer zusammen. Im Beruf: Sie kontrollierten die Eier in einem Stall mit Legebatterien. Dick sah nach Rissen, Tom beschwerte sich beim Vorarbeiter und Harry hörte dabei Radio. So auch abends auf dem Sofa. Dick würde fernsehen. Harry würde dem Fernseher zuhören. Und Tom würde permanent darauf drängen, endlich einen Fernseher zu kaufen.

 

Traurigerweise, wie wir alle wissen, ist ihr friedvolles Leben vor drei Tagen abrupt zu Ende gegangen. Dick sah den Mähdrescher. Harry hörte den Mähdrescher. Aber keiner der beiden konnte etwas sagen. Und Tom, der etwas hätte sagen können, wird nicht die geringste Ahnung davon gehabt haben, was ihn da eigentlich umgehauen hat. Und so sind sie alle drei ineinander-geerntet worden. Vermischt in eins. Jetzt sind sie im Himmel. Der liebe Dick sieht die Engelschöre. Harry hört die Engelschöre. Und, kein Zweifel: Tom ruiniert es für alle und jeden.

 

Damit endet der Sketch. Und da beginnt unser Predigttext. Tom, Dick und Harry – Gott scheint wie diese drei zu sein. Er funktioniert nur im Dreierpack: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir…. Auch wenn hier gerade nicht vom Geist die Rede ist, an anderen Stellen setzt sich Jesus auch mit ihm in eins. Gott funktioniert nur im Dreierpack. Nicht, weil er das braucht – das ist der Unterschied zu Tom, Dick und Harry – sondern weil ich diese Dreiheit brauche. Es ist schon lustig: Ausgerechnet die Dreifaltigkeit Gottes gehört mit zum kompliziertesten am christlichen Glauben: Wie kann Gott drei und doch eins sein? Und zugleich macht gerade diese Dreifaltigkeit es erst möglich Gott überhaupt nahe zu kommen.

 

Gott zu denken, Gott-an-sich, absolut, ohne Dreifaltigkeit von Vater, Sohn und heiligem Geist zu denken, ist ein trockenes Geschäft. Der bloße Begriff »Gott« ist im wahrsten Sinne des Wortes blutleer. Zu kaum einem anderen Thema gibt es so viele Floskeln und neunmalkluge Erklärungen und sentimentale Phrasen, wie zum Thema »Gott«. Gott dies und Gott das und manchmal ist genug heiße Luft durch meine Nüstern gegangen, dass ich Gott lieber für ein ordentliches Schweineschnitzel und eine Dose Bier eintauschen wollte. Kennt ihr das? Das Geplapper vom Gott, der jenes will und dieses sagt und folgendes tut und nichts davon kommt an?

 

Ich kann mit dem bloßen, nackten »Gott« nicht viel anfangen.

 

Ansehnlich und buchstäblich lebendig wird Gott für mich erst, wie er da selbst lebendig wird. Das ungeschützte Kind in der Nacht in stürmischen Zeiten. Holder Knabe mit lockigem Haar. Nahe kommt mir dieser Gott erst durch den Mann, durch die Stimme, die unseren Predigttext spricht. Wie Jesus dort sitzt, in den Stunden vor seiner Gefangennahme und Hinrichtung: Er betet für mich und dich. Nicht ich werde an Händen und Füßen verletzt und meines Herzschlags beraubt, sondern er – aber er betet für mich.

 

Verkehrte Welt. Er bittet für mich, obwohl er selbst im größten Schlamassel steckt. Es gibt ja solche Situationen auch im Alltag. Ich glaube und ich hoffe, das kennt jeder. Ich habe es erst kürzlich wiedermal erlebt. Ich hatte von jemandem gehört, der oder die in eine finanzielle Not geraten war. Und da bin ich hin mit einem Umschlag in der Tasche. Es war einfach nicht zu machen: Diese Person ließ sich den Umschlag nicht schenken, im Gegenteil. Ich bin nicht nur mit dem Umschlag in meiner Jackentasche dort nach einigen Minuten wieder raus, sondern auch mit schokoladenverschmierten Zähnen. Was für eine Erfahrung! Ich komme, um etwas zu geben und ich gehe beschenkt. Das ist die verkehrte Welt, die uns auch der Predigttext vorwirbelt. 20 Ich bitte […] für sie… – der da für uns bittet, ist der von aller Welt und von Gott verlassene Gottessohn. Verkehrte Welt. Eine Welt, die Kopf steht. Eine Welt, die Kopf steht, steht mit den Füßen im Himmel.

 

21 Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.

 

Daran erinnert Himmelfahrt: Der Sohn und der Vater sind eins. Er hatte das Menschsein nicht nötig. Volle Windeln, Pubertät, Liebeskummer, Lebenssorgen, Todesängste und Herzversagen – all das hätte sich Gott sparen können. Er hatte Jesus nicht nötig. Wäre er doch im Himmel geblieben, er hätte sich einiges erspart. Himmelfahrt erinnert daran, wer dieser Christus ist, den wir ehren, anbeten, lieben und suchen: Er ist kein Lehrmeister guter Moral oder vorbildhafter Freund anständiger Mitmenschlichkeit. Sondern Fürst und Herrscher des Himmels. Er besteigt seinen Thron, kehrt zurück in den Himmel aus dem er gekommen ist und in den er gehört. Das ist seine DNA. Kraft genug, den Erdball um die Sonne zu schleudern – das steckt in den Knochen, die sie dort brechen am Kreuz. Phantasie und Einfallsreichtum genug, dass keine Wolke einer anderen gleicht am Himmelszelt, Tag für Tag und Jahr für Jahr – das fließt in seinem Blut, dass sie so freigiebig verteilen unter Schlägen und Dornenkrone.

 

Die Himmelfahrt Jesu löst dieses Missverständnis auf: Er war kein heiliger Prophet, kein charismatischer Lehrer, keine Ikone der Nächstenliebe – verkauft ihn nicht so billig. Sondern seht in ihm das Gesicht Gottes.

 

21 Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.

 

Amen.

 

 

 

Predigt Himmelfahrt 2020.pdf
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